[Rezension] Marschlande – Jarka Kubsova
Titel: Marschlande
Reihe: Einzelband
Autorin: Jarka Kubsova
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2023
Einband: Hardcover
Seitenanzahl: 320
Meine Wertung: 5 Sterne
Klappentext:
Im Hamburger Marschland lebt ums Jahr 1580 Abelke Bleken. Sie führt allein einen Hof, trotzt Jahreszeiten und Gezeiten. Und sie versucht, sich gegen ihre Nachbarn zu behaupten, in einer Zeit, die für unabhängige Frauen lebensgefährlich ist. Fast fünfhundert Jahre später zieht Britta Stoever mit ihrem Mann und ihren Kindern in die Marschlandschaft. Ihre Arbeit als Geografin hat sie für die Familie aufgegeben, das neue Zuhause ist ihr noch fremd. Sie unternimmt lange Spaziergänge durch die karge Landschaft, beobachtet die Natur und lernt, in Bracks und Deichlinien die Spuren der Vergangenheit zu lesen. Dabei stößt Britta auf das Leben der Abelke, auf Ausgrenzungen und Ungerechtigkeiten, die beängstigend aktuell sind. Fasziniert taucht sie tiefer und tiefer ein – und merkt, wie viel sie im Leben der anderen Frau über sich selbst erfährt.
Rezension:
Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, dass auf zwei Zeitebenen spielt und bin da auch immer ein bisschen skeptisch, weil es bei mir bisher oft so war, dass mir die eine Zeitebene besser gefallen hat, als die andere und ich dann teilweise bei der „langweiligeren“ Zeitebene nur noch quer gelesen habe. Hier ging es mir nicht so. Beide Handlungsstränge waren interessant, wobei es auch hier einen Handlungsstrang gab, der mich ein bisschen mehr fesseln konnte, nämlich der um Abelke Bleken im 16. Jahrhundert.
Wir begleiten also Abelke, die ganz allein einen Hof in den Marschlanden führt. Es geht relativ zügig dramatisch los, mit einer Springflut, die vielen Menschen in den Marschlanden Haus, Hof, Tier und die Liebsten nimmt. Schnell wird klar, dass es Männer in Abelkes Umgebung gibt, die es auf ihren Hof abgesehen haben und leider auch Mittel finden, um ihn ihr auf legale Weise wegzunehmen. Abelke müht sich unglaublich, um ihren Hof zu retten, und was diese Frau geleistet hat, ist fast schon übermenschlich. Trotzdem hat sie es nicht geschafft und die Männer lassen sie auch ganz bewusst auflaufen, um an Haus und Hof zu gelangen. Mich hat das so unglaublich wütend gemacht.
Nunmehr verarmt muss sie sich als Tagelöhnerin ihre Kost und Logis verdienen. Ich konnte ihre Wut so unglaublich gut nachvollziehen. Aber auch hier lassen die Menschen sie nicht in Ruhe.
Sehr gut erzählt fand ich, wie ihre Nachbarn sie durch Erzählungen, die manches Mal auch arg übertrieben sind, ins Unglück stürzen und interessant war zu sehen, dass sich bei dem einen oder anderen doch das schlechte Gewissen regt, als es zum Schlimmsten kommt. Nur, da ist es zu spät. Jarka Kobsova arbeitet sehr gut heraus, wie es dazu kommt, dass Nachbarn sich gegenseitig diskreditieren, wie man sich gegenseitig immer mißtrauischer beäugt, wie durch das „Recht“ eine Kultur der Angst und des Mißtrauens geschaffen wird. Bloß schön angepasst verhalten, nicht, dass man als Hexe oder ähnliches verurteilt wird.
Der andere Handlungsstrang spielt in der Gegenwart. Wir begleiten Britta Stoever, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und nun auch noch auf dem flachen Marschenland, gar nicht so weit weg von ihrem ehemaligen Zuhause ist, es fühlt sich aber trotzdem an, als lägen Welten zwischen ihrem alten und dem neuen Leben. Ich will gar nicht abstreiten, dass viele Ehe, verutlich vor allem, wenn Kinder da sind, nach dem Schema ablaufen, das von der Autorin hier aufgezeigt wird. Trotzdem frage ich mich immer wieder, wie man sich das als Frau gefallen lassen kann. Brittas Ehemann Philipp ist so unglaublich egoistisch und immer nur auf seinen Vorteil bedacht, dass ich ihn von der ersten Minute an verabscheut habe. Anders als Abelke, deren Geschichte nach und nach ins Unglück läuft, hat man bei Britta das Gefühl, dass das genaue Gegenteil der Fall ist und sie es schaffen wird, aus ihrem Unglück heraus zu finden.
Alles in allem zeigt dieses Buch auf, dass die Probleme von Frauen im 16. Jahrhundert und heute gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Natürlich sind die Methoden damals und heute verschiedene, aber letzten Endes schaffen Männer und auch andere Frauen, es immer wieder, Frauen klein zu halten. Meinem Gefühl nach vor allem dann, wenn Kinder ins Spiel kommen.
Der Schreibstil von Jarka Kobsova hat mir sehr gefallen. Ab und an muss ich gestehen, bin ich über Fremdworte gestolpert, die ich nicht kannte, aber mir aus dem Zusammenhang erschließen konnte. Da bin ich vermutlich nicht gebildet genug. Aber die Erzählweise ist sehr mitreißend, vor allem Abelke hat mir die Autorin direkt ins Herz geschrieben und ich habe so mit ihr mitgefiebert und mitgelitten.
Ich vergebe 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Mal ein Buch ganz abseits meines üblichen Beuteschemas, dass mir sehr gefallen hat.
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Hallo,
eine schöne Besprechung. 🙂
Mir ging es wie dir: Der Part um Abelke hat mich ein wenig mehr begeistert, aber es ist eine gelungene Mischung.
Liebe Grüße
Schön, dass du vorbeigeschaut hast! Danke für deinen Kommentar!
Hab ein schönes Wochenende
LG
Yvonne