[Rezension] Hanna: Kriegsjahre einer Krankenschwester – Sandra Jungen
Titel: Hanna – Kriegsjahre einer Krankenschwester
Reihe: Einzelband
Autorin: Sandra Jungen
Verlag: Rhein-Mosel-Verlag
Erscheinungsjahr: 2018
Einband: Taschenbuch
Seitenanzahl: 332
Meine Wertung: 5 Federn
Klappentext:
Das Deutsche Reich 1942: Kurz nach ihrem Examen wird Hanna in die Krankenpflege der Wehrmacht eingegliedert. Obwohl sie lieber bei ihrer Familie in der Eifel wäre, beugt sie sich dem Befehl und kämpft fortan als Frontschwester um das Leben der Verwundeten – ebenso wie um das eigene. Nur mit knapper Not gelangt sie zurück nach Deutschland, wo sie in München den Luftkrieg in all seinen grausamen Facetten durchlebt und schließlich die harte Hand des Regimes am eigenen Leib erfahren muss.
Rezension:
Das Buch wurde mir vom Rhein-Mosel-Verlag als Rezensionsexemplar überlassen und ich war richtig gespannt auf die Geschichte. Sandra Jungen hat, basierend auf den Erinnerungen ihrer Großmutter, Jahrgang 1922, eine Geschichte über die Erlebnisse einer Krankenschwester während des Zweiten Weltkrieges erzählt. Ich erwartete eine spannende, aber auch sehr nahe gehende und von Schreckenserlebnissen gezeichnete Geschichte und genau die bekam ich auch.
Hannas Erlebnisse sind so erschreckend, wie nachvollziehbar. Unweigerlich fragte ich mich beim Lesen immer wieder, was ich empfunden hätte, wenn man mich an die Front geschickt hätte. Ich weiß nicht, wie die jungen Menschen diese Erlebnisse durchgestanden haben und daran nicht zerbrochen sind.
Manchmal kommt einem das Ganze auch etwas surreal vor. Hanna hat zwischendurch Heimaturlaub und sieht ihre Familie. Urlaub? Im Krieg? Vom Krieg? Das ist doch alles kaum vorstellbar, oder? Lange Zeit hatte ich das Gefühl, dass Hanna den Krieg ganz gut wegsteckt. Sie will zwar nicht an die Front, aber sie ist bereit, ihren Dienst zu tun, egal, wo man sie hinschickt. Nach und nach offenbaren sich aber die kleinen und großen alltäglichen Schrecken des Krieges. Soldaten, die schwer verwundet und nicht mehr zu retten sind, Bomben über München, die direkt über dem Lazarett, in dem Hanna arbeitet, abgeworfen werden. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas durchsteht. Ich muss gestehen, dass ich Hanna und ihre Kolleginnen dafür bewundert habe, dass sie sich bei allem Schrecken ihre Freundschaft und streckenweise auch ihre Fröhlichkeit bewahrt haben.
Mit Gerda haben wir hier quasi die Antagonistin. Schnell merkt der Leser, dass Gerda nicht über den Weg zu trauen ist. Hanna braucht da doch etwas länger, glaubt an das Gute im Menschen. Ab und an wollte man ihr zurufen: Halt den Mund. Was du sagst, ist gefährlich. Gerade das machte dieses Buch so spannend. Ich las die Geschichte natürlich mit dem Hintergrundwissen, dass wir heute über den 2. WK und die Zeit unter den Nazis haben. Hanna geht zunächst recht unbedarft an die Sache heran, genau wie es wahrscheinlich die Meisten von uns getan hätten. Sie kann sich zunächst gar nicht wirklich vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die andere denunzieren, so hatte ich das Gefühl.
Sandra Jungen schreibt mit sehr viel Einfühlungsvermögen und auch wenn die Geschichte teilweise erfunden ist, wie die Autorin im Nachwort schreibt, so fußt sie doch auf einer wahren Lebensgeschichte und das macht es umso erschreckender. Wie leicht rutscht man einfach in eine solche Situation. Auch wenn nicht jeder freudestrahlend „Heil Hitler“ ruft, so hat der einfache Bürger doch lange nicht erkannt, wo das deutsche Volk da hin läuft, wem es hinterherrennt. Auch Hanna hinterfragt nicht, sondern stellt sich dorthin wo die Wehrmacht sie hin beordert und tut ihre Pflicht. Ich halte das absolut nicht für unrealistisch. Teilweise haben die Menschen sicher wirklich nicht mitbekommen, was im Land los war, die Kommunikation war ja bei weitem nicht so gut ausgebaut, wie sie es heute ist, man war nicht untereinander vernetzt. Manchmal verschließt man sicher auch die Augen, versucht sich selbst und eventuell noch seine Familie durch eine solche Zeit zu bringen, wie es Hannas Vater getan hat. Ich persönlich finde das sehr nachvollziehbar.
Eine Lebensgeschichte kann man nicht wirklich bewerten, was ich aber bewerten kann ist der Schreibstil und die Gesamtheit der erzählten Geschichte. Eindrücklich, eindringlich, emotional, stellenweise sehr direkt, aber an keiner Stelle sensationsgierig. Von mir gibt es 5 Federn und eine Leseempfehlung. Ich wünsche mir wirklich, dass ihr euch dieses Buch kauft und es lest!
Hallo Yvonne,
ich lese auch sehr gerne #GegenDasVergessen an und dieses Buch klingt absolut als dafür geeignet! Ich habe es auf meine Merkliste gesetzt.
Ich bin auch immer wieder gespalten, wenn ich an die Menschen von damals denke. Einerseits wussten sicherlich einige nichts von dem Grauen. Irgendwann hätte es aber auch der Letzte wissen müssen / können. Dass nicht jeder eine Kämpfernatur ist, muss man auch akzeptieren. Aber es fällt schwer, das hinzunehmen, wenn man wie heute weiß, was alles passiert war. Lange Zeit wollte man sicherlich auch nicht glauben, dass Mensch zu so etwas fähig waren, anderen Menschen anzutun. Als man es wusste, war es für viele bereits zu spät.
Danke für die Vorstellung dieses interessanten Buches!
GlG, monerl
Hallo Monerl,
schön, dass ich dich neugierig machen konnte und du das Buch auf deine Leseliste setzt. Es ist wirklich sehr empfehlenswert. Ich finde es ganz schwer, zu beurteilen, in wie weit Augen verschlossen wurden oder man wirklich nichts wusste. Und selbst wenn jemand die Augen verschlossen hat, so maße ich mir nicht an, das zu be- bzw. verurteilen. Ich war noch nie in dieser Situation und weiß somit nicht genau, wie ich selbst gehandelt hätte.
Hab eine schöne Restwoche
LG
Yvonne
Ich hoffe innigst, dass wir nie in so eine oder ähnliche Situation kommen! Aber die Augen halte ich jedenfalls offen und versuche dort entgegenzuwirken, wo ich kann.
Dir auch eine schöne Restwoche! Wochenende steht Gott sei Dank bereits vor der Tür. 🙂
GlG, monerl
Hallo Yvonne,
ich habe das Buch auch auf meine Wunschliste gesetzt, die sehr klein ist – also die Chance es zu kaufen ist hoch 🙂
Und ja, es gab damals tatsächlich Fronturlaub.
Was mich immer wieder etwas zurückschreckt ist die Sache, dass die Enkel Bücher verfassen ihm Namen ihrer Großmütter, aber nicht wirklich wahrhaben könne, wie sie damals wirklich gefühlt haben. Deswegen schaue ich immer gerne Zeitzeugen Dokumetationen und kann zum Glück noch immer meine Uroma fragen 🙂 Die schon stolze 90 Jahre ist 😀
Danke für den tollen Tipp, habe ja bald Geburtstag und weiß nun was noch in den Einfachswagen landen wird, von meinem Gutschein 🙂 (Ich bekomme immer einen von meinen Kollegen 😉 )
Alles Liebe,
Conny
Hallo Conny,
ja, dass es das gab ist mir klar, aber es wirkt trotzdem so surreal. Ich muss gestehen, dass ich auch so Waffenruhen, von denen ja manchmal in den Nachrichten berichtet wird, surreal finde. Entweder es ist Krieg und man schießt aufeinander, oder man lässt es bleiben. Aber zu vereinbaren, dass man mal eine Zeit nicht aufeinander schießt und dann wieder ist so… ich weiß nicht. Mir ist das irgendwie unbegreifbar.
Meine Großeltern oder meine Großtante haben nie irgendetwas erzählt, von daher kenne ich nur das, was ich aus Büchern weiß.
Ich wünsche dir eine angenehme Lesezeit mit dem Buch!
LG
Yvonne
Hallo Yvonne!
Ich denke du hast in deiner Rezension einen sehr wichtigen Punkt aufgegriffen. Wir vergessen oftmals, dass wir heute einen ganz anderen, umfassenderen Umgang rund um die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs haben. Auch die Art und Weise der Informationsweitergabe ist in keinster Weise mit damals zu vergleichen. Deshalb denke ich urteilen wir oftmals auch zu leichtfertig / schnell über manche Mitläufer. Ich möchte betonen, dass ich damit auf keinen Fall Gräueltaten kleinreden möchte oder Täter beschützen will.
Hallo Sabrina,
ja, genau wie du sehe ich das auch. Es ist einfach, sich im Nachhinein über andere zu erheben. Und genau das ist es. Wir erfahren heute über TV, soziale Medien, etc. viel schneller und umfassender was in der Welt los ist. Die Informationsweitergabe war doch sehr beschränkt.
Und ich sehe das auch wie du, dass man damit nicht Gräultaten kleinredet oder gut heißt, aber versucht, nachzuempfinden, wie es der normalen Bevölkerung damals ergangen ist und welche Möglichkeiten diese eigentlich hatte, um sich zu informieren.
Hab einen schönen Sonntag
LG
Yvonne
Hallo Yvonne,
eine schöne Rezension. Die Stimmung des Buches hast du toll eingefangen und da ich auch so einiges über den zweiten Weltkrieg lese, ist es direkt auf meine Wunschliste gewandert.
Bisher habe ich meistens Romane über die Zeit gelesen, suche aber auch nach Lebensberichte und Biographien aus der Zeit.
Vielen Dank für den Buchtipp!
Liebe Grüße
Kerstin
#litnetzwerk
Hallo Yvonne,
wow, das hört sich nach einem tollen Buchtip an. Ich mag solche Bücher sehr und das, was Du über das Buch geschrieben hast, macht mich sehr neugierig. Ich werde es sofort auf meine Wunschliste setzen. Vielen Dank dafür!
Lieber Gruß,
Marion
#litnetzwerk
Liebe Marion,
das Buch ist wirklich empfehlenswert. Schön, dass ich dich neugierig machen konnte. Vielleicht darf ich dir dann noch „Heidebeerkind“ von Marion Bischoff ans Herz legen?
LG
Yvonne
Hallöchen Yvonne,
ich bin eine leidenschaftliche Leserin von historischen Romanen, gerne auch mit Bezug auf die Zeit zwischen 1900 bis 1950. Deine Rezension zu Hanna – Kriegsjahre einer Krankenschwester hat mir sehr gut gefallen. Man spürt, dass das Buch eine Saite in dir zum Klingen gebracht hat und es dich berühren konnte. Das schätze ich persönlich sehr an Büchern. Gerade dann, wenn es ein solch schweres Thema ist. Dass die Autorin das Tagebuch ihrer Großmutter hatte, ist ein großes Glück. Denn so wusste sie tatsächlich, wie sich ein Mensch in einer solchen Situation fühlt. Etwas, dass ich mir genau wie du, kaum ausmalen kann.
Danke für deine tolle Rezension und den Buchtipp. Das Buch wandert direkt auf meine Wunschliste und wird dort vermutlich nicht allzu lange bleiben.
Hab noch ein wundervolles #litnetzwerk!
Liebe Grüße
Nina
Hallo Nina,
vielleicht darf ich dir dann noch „Heidelbeerkind“ von Marion Bischoff und „Jahrhundertzeugen“ von Tim Pröse ans Herz legen. Beides auch unglaublich tolle Bücher.
LG
Yvonne
Hallo du,
danke für die Tipps! Die habe ich mir gleich dazugeschrieben. Gute Bücher kann man nie genug empfohlen bekommen *o*
Liebe Grüße
Nina
Das freut mich!
Krieg und Tod sind für mich zwei Themen, die ich sehr weit von mir schiebe, weil sie mich beschäftigen und belasten, sobald ich ins Grübeln komme. Mein Vater hat den Krieg noch als kleiner Junge erlebt, meine Mutter war schon ein „Nachkriegskind“. Vieles von dem, was mein Vater mir erzählt hat, habe ich tief im Herzen verschlossen. Was grundsätzlich dumm ist, denn er gehört der letzten Generation an, die noch selbst erzählen können, wie es war. Vermutlich ist es gerade deshalb so wichtig, dass es Bücher gibt und die uns den Schrecken des Krieges aufzeigt.
Übrigens gibt es eine Geschichte meines Vaters, die einzig positive zu seinen Kriegserlebnissen, die mir oft gegenwärtig ist. Als die Franzosen zum Kriegsende durch unser Dorf marschiert sind, stand mein Vater mit seinen 5 Jahren an der Straße und hat gewunken und einer der Soldaten ist zu ihm gekommen und hat ihm die erste Schokolade seines Lebens geschenkt. So, nun hocke ich auf meiner Couch und weine, weil wieder alles hoch kommt, deswegen endet mein Kommentar nun auch 😉
Hallo Daggi,
das tut mir leid, dass dich meine Rezension so mitgenommen hat. Das soll sie natürlich nicht!
Ich habe aus erster Hand überhaupt keine Erzählungen, da mein einer Opa schon vor meiner Geburt verstorben ist und die anderen Oma und Opa nie was erzählt haben. Es ist schon großartig, wenn man da Erzählungen aus erster Hand bekommt, auch wenn die Erinnerungen schmerzen.
Ich drück dich feste
Yvonne